Prof. Dr. Jan Badke hat an der Ruhr-Universität Bochum die Professur für Wissenschaftstheorie und Wissenschaftsgeschichte inne.
ERC Consolidator Grant 2026
400 Millionen Pflanzen sind weltweit in Herbarien konserviert. Wer diese Sammlungen angelegt hat und welche Probleme mit ihrer aktuellen Digitalisierung einhergehen, erforscht Prof. Dr. Jan Baedke in einem ERC Grant.
Rund 400 Millionen Pflanzenexemplare sind in Herbarien weltweit konserviert – ein wahrer Schatz, der lange vernachlässigt wurde. Heute werden die Pflanzen und ihre Metadaten digitalisiert, genetisch untersucht und die Ergebnisse mit Umweltdaten der Gegenwart zusammengebracht – in der Hoffnung, aus der Pflanzenevolution der vergangenen vier Jahrhunderte zu lernen, wie etwa etablierte Nutzpflanzen so weiterentwickelt werden können, dass sie trotz Klimawandel nutzbar bleiben.
Prof. Dr. Jan Baedke interessiert sich für besondere Aspekte der Herbarien: die Namen lokaler und oft indigener Sammler*innen. Im ERC-Projekt „Botanical Legacies: Towards a New History and Philosophy of Virtual Herbaria“, kurz BOTLEG, erforscht er mit seinem Team, wer die Herbar-Belege angefertigt hat. Oft waren das keine Wissenschaftler, sondern indigene Akteure, die im Auftrag von Botanikern aus den USA oder Europa Pflanzen in ihrer Heimat sammelten. Eine einzelne Person kann zehntausende oder gar hunderttausende Exemplare und damit unzählige Biodiversitätsdaten zu heutigen Herbarien beigetragen haben.
Mit den Methoden der Digital Humanities möchte Baedke digitalisierte Herbarien durchforsten und in Archiven nach weiteren Informationen zu lokalen Sammler*innen suchen. Im Projekt BOTLEG nimmt er in zwei Fallstudien historische Sammlungen des 19. und 20. Jahrhunderts von der Yucatan-Halbinsel und aus Indonesien genauer unter die Lupe. Diese Orte sind zum einen interessant, weil dort viele wildlebende Pflanzenarten vorkommen, die genetisch eng mit heutigen Kulturpflanzen verwandt sind. Von ihnen lässt sich eventuell lernen, wie man Nutzpflanzen besser an künftige Bedingungen anpassen kann. Zum anderen haben diese Gebiete eine koloniale Geschichte, die den Wissenschaftler interessiert.
In dem Projekt geht es Jan Baedke darum, epistemische Ungerechtigkeiten offenzulegen, die lokale Akteure erfahren haben, beispielsweise, ob sie als Expert*innen nicht anerkannt wurden oder ihr Pflanzenwissen unterdrückt oder nicht verbreitet wurde. Für die moderne Forschung ist es relevant zu wissen, ob Ungerechtigkeiten gegenüber lokalen Sammler*innen zu beispielsweise taxonomischem oder geografischem Bias geführt haben. Denn solch ein Bias könnte Einfluss darauf haben, wie zuverlässig die Biodiversitätsdaten sind und wie gut sie sich für Vorhersagen nutzen lassen.
Prof. Dr. Jan Badke hat an der Ruhr-Universität Bochum die Professur für Wissenschaftstheorie und Wissenschaftsgeschichte inne.